Wann ist denn nun eigentlich die UNDERDOX-Eröffnung?, wurden wir schon gefragt. Natürlich heute Abend, um 20 Uhr im Filmmuseum mit dem Film von Max Linz Ich will mich nicht künstlich aufregen.
Verwirrung entstand, weil wir bereits gestern unser zum ersten Mal stattfindende Videokunst-Ausstellung VIDEODOX in einer Vernissage eröffneten. Der Andrang war enorm, das Stromnetz brach unter den vielen angeschlossenen Geräten zusammen und bescherte uns völlige Dunkelheit – besser hätte man es nicht inszenieren können, um das Ephemere der neuen Medien sichtbar zu machen, und auch die Virtualität der Videokunst.
Hier ein paar Impressionen von der Eröffnung, als der Strom wieder ging:
Jetzt wird das Festival visuell: Hier gibt es als PDF den Flyer, hier unseren 108 Seiten und auch sonst starken Katalog und hier den diesjährigen Trailer zu sehen, den Garegin Vanisian für uns gemacht hat.
9. UNDERDOX Filmfestival: Italienisches Experimentalkino, chinesisches Cinéma vérité und die neoliberale Farce des Kunstmarkts
Der 1937 in Italien geborene Carmelo Bene war schon als Theaterregisseur enfant terrible der Kunstszene. Sein Ruf als guitto, ein sich über alle Konventionen hinwegsetzender Künstler, steigerte sich nochmals, als er 1969 mit NOSTRA SIGNORA DEI TURCHI seinen ersten Film realisierte. Sein Angriff auf alles Heilige, auch der Kunst, versetzte das damalige Italien in einen regelrechten Schock. Seinem phantasmagorischen Kaleidoskop entsteigt der kollektive Alptraum von 1480, als die türkische Flotte in Apulien einfiel und ein Massaker an den Einwohnern beging. – „It made no sense whatever“, attestierte– „Sight and Sound“ euphorisch , eine „neoexpressionistische Explosion von einmaliger Art“, nannte Amos Vogel den Film. Noch heute gilt der 2002 verstorbene Carmelo Bene, der insgesamt nur fünf Filme realisierte, als Meister des experimentellen Films und NOSTRA SIGNORA als sein Chef d’œuvre.
UNDERDOX widmet in seiner 9. Ausgabe zwei Programme dem italienischen Avantgardefilm. Bene war eng mit Alberto Grifi verbunden. Mit LA VERIFICA INCERTA schuf dieser 1965 (zusammen mit Gianfranco Baruchello) einen Meilenstein des Montagefilms. „LA VERIFICA INCERTA montiert elegant und polemisch. Der Schuss-Gegenschuss erfährt hier die heitere Demontage“, schrieb Harun Farocki zur Wiederentdeckung des Films vor zwei Jahren, den UNDERDOX zusammen mit einigen anderen zentralen internationalen Found-Footage-Werken zeigt.
Kunst wurde in den letzten Jahrzehnten buchstäblich vom Kunstmarkt verschlungen – kontrolliert von einem von Kunsthistorikern und Kuratoren ausgegebenen Diskurs und unter strengen Regeln der Vermarktung. UNDERDOX eröffnet am 9. Oktober mit dem Spielfilm ICH WILL MICH NICHT KÜNSTLICH AUFREGEN des Berliner Regisseurs Max Linz – stilsichere Farce aus dem neoliberalen Berlin und zugleich politisches Manifest über „Das Kino, das Kunst“.
Inwiefern die Regeln des Kunstmarktes internationale Berühmtheit fördern, oder auch nicht, lässt sich bei den Künstlern Ai Weiwei und Wang Bing beobachten. Beide machen systemkritische Kunst in den Dimensionen des Monumentalen. Während sich Ai Weiwei an den Werten des alten Chinas medienwirksam abarbeitet, erstellt Wang Bing, der 2003 mit dem neunstündigen WEST OF THE TRACKS international bekannt wurde, meisterliche, aber unaufgeregte Dokumentarfilme in der Tradition des Cinéma vérité. Wang Bings Filme sind stille Beobachtungen in der Dauer. Sein letzter Film, ’TIL MADNESS DO US PART (2013), führt in eine psychiatrische Anstalt in Yunnan und zeigt die nackte Existenz der vom Modernisierungswahn Ausgeschlossenen. „Was bringt Ihnen das Filmemachen?“, wurde Wang Bing kürzlich in einem Interview gefragt. Seine Antwort war: „Armut.“
09. UNDERDOX Filmfestival, Donnerstag, 9. Oktober, bis Mittwoch 15. Oktober 2014, im Filmmuseum München, Werkstattkino und in der Galerie der Künstler.
Das genaue Programm mit allen Titeln, Spieldaten und -orten finden Sie ab Mitte September unter www.underdox-festival.de.
„Es wird die Natur des Sehens erforscht in den Filmen von Michael Snow, aufregend und in aller Freiheit, weil das Sehen befreit ist vonallen Intentionen.Undvor allem von jenem Zwang, der es in unserer Gesellschaft und in ihrem Kinonachhaltig bestimmt, deformiert, terrorisiert–dem Narrativen. Für „La région centrale“ baute der Techniker Pierre Abeloos Snow eine Kamera-Apparatur, die sich nach allen Seiten drehen kann, mit allen möglichen Geschwindigkeiten, von Impulsen auf einem Tonband getrieben – der Mensch ist ausgeschaltet, als Blickender, als Erzähler, alsAutor. Ein Film wie von einem verlassenen Planeten. Größtmögliche Distanz, nur so, sagt Snow, kommt man der Natur nahe.“ (Fritz Göttler)
Michael Snow ist einer der legendären amerikanischen Avantgarde-Filmemacher. Zusammen mit Stan Brakhage, Ken Jacobs und Andy Warhol gehört er zu jenen, die Filmgeschichte gemacht haben. Michael Snow (*1929 in Toronto) hat mit seinen frühen Filmen WAVELENGTH (1967), <—> (BACK AND FORTH) (1969) und LA RÉGION CENTRALE (1971) revolutionäre Meilensteine geschaffen und mit ihnen Generationen von Filmemachern beeinflusst.
Snows Filme sind nach ausgeklügelten Konzepten durchgeführte Kamera-Experimente. Trotz der formalen Strenge halten sie unterschwellige Erzählungen bereit und dekonstruieren das Unterhaltungskino. Snow bringt Fragmente von Handlungen als detektivische Hinweise ins Spiel und bezieht sich auf Filmgenres wie Science Fiction, Film Noir und Melodram.
UNDERDOX-HALBZEIT mit dem kanadischen Avantgarde-Filmer MICHAEL SNOW
Retrospektive im Filmmuseum München, 21.-24. Mai 2014
Michael Snow ist anwesend!
Kartenreservierungen: 089 / 23 39 64 50
Die UNDERDOX-Videokunstausstellung in der Galerie der Künstler
München, 8. – 16.10.2014
Aufruf zur Einreichung! Jetzt einreichen: Wir laden ab sofort alle KünstlerInnen, GaleristInnen, Hochschulen und Institutionen dazu ein, Arbeiten für die große Videokunst-Ausstellung VIDEODOX im Oktober 2014 einzureichen. Einreichungsschluss: 31. Mai 2014 – Für Neuproduktionen können auch individuelle Abgabetermine vereinbart werden! Ort: Galerie der Künstler, Maximilianstraße 42, 80538 München Formate: Installation, Einzelwerk, Kino-Vorführung (Filmmuseum München, Werkstattkino) Preisgeld: 1000 Euro
Details zur Einreichung finden Sie hier. Wir freuen uns über zahlreiche Einreichungen!
9. Mittelmeer-Filmtage vom 22. Januar bis 2. Februar 2014 im Vortragssaal der Bibliothek, Gasteig
Fr., 24.01., 20:30 Uhr / Fr. 31.01., 18:30 Uhr
UNDERDOX präsentiert LOUBIA HAMRA (BLOODY BEANS) von Narimane Mari
Algerien / Frankreich 2013, 77 Min., franz./arab. OmeU
Bester Dokumentarfilm CPH:DOX Kopenhagen
Großer Preis, FID Marseille
Kinder am Strand von Algier. Sie toben im Wasser, spielen im Sand, streiten. Plötzlich bricht mit blutigem Ernst die Kolonialgeschichte des Landes in ihr Spiel hinein. In einem fantastischen Schattenspiel ziehen die Jungen und Mädchen in den Algerischen Unabhängigkeitskrieg und bekämpfen die Dämonen der Vergangenheit.
Mit viel Poetik und traumhaften Sequenzen arbeitet Maris preisgekrönter Debütfilm die französisch-algerische Kolonialgeschichte auf, die auch heute noch im Mittelmeerraum nachwirkt.
Vorfilm:
Jeune, Révolution! 2007-2012 von Claire Angelini
Frankreich / Deutschland 2012, 13 Min. arab. OmdU
Während der Jasminrevolution von Tunesien 2010/2011 blühten die Hoffnungen und Erwartungen der jungen Generation auf. Ikbel Zilla, tunesischer Filmjournalist, erzählt von der Zeit des Aufkeimens und Verwelkens der Revolution.
Am 24.01. in Anwesenheit von Claire Angelini!
Eintritt: 7 Euro / 5 Euro (ermäßigt)
Das komplette Programm mit allen Filmstadt-München-Veranstaltungen finden sie hier als PDF-Download (1,6 MB).