Donnerstag 2 juni | 19:00 | filmmuseum
Dore O., geboren 1946 in Mülheim an der Ruhr, ist eine eminente Vertreterin des westdeutschen Avantgardefilms, deren Werk im Rang der amerikanischen Avantgardistin Maya Deren heute den Status eines Klassikers hat. Lange war Dore O. vor allem an der Seite ihres Mannes Werner Nekes künstlerisch bekannt, mit dem sie das Filmband in Silber erhielt. Ihre hybriden, sich in der Montage zwischen rätselhafter Innerlichkeit und dokumentarischer Außenwelt auflösenden Filmwelten brachten ihr jedoch bald große internationale Aufmerksamkeit, u.a. auf der „documenta“.
Die Restauratorin Maria Matzke beschreibt ihre Filme als einen „Zustand des Dazwischen, ein Vorzimmer der Sprache, ja sogar des Bewusstseins. In einer traumähnlichen Dichte und einer seltsamen Aufhebung der Zeit erzeugen O.s Filme eine gesteigerte Wahrnehmung zwischen Hypnose und Klarheit.“
Im Februar 2022 wurde Dore O. mit dem Ehrenpreis der Deutschen Filmkritik ausgezeichnet. Nur einen Monat später verstarb sie unerwartet in ihrem Heimatort.
Die Filmrestauratorin Maria Matzke (Deutsche Kinemathek) und der Filmkritiker Peter Kremski führen durch das Programm.
Zu Gast: Maria Matzke (Deutsche Kinemathek), Peter Kremski (Filmkritker, VDFK)
Das Programm der Lecture:
JÜM-JÜM | Deutscher Filmpreis 1970
BRD 1967 | 9 min
R: Werner Nekes, Dore O.
Mögliche Schnittfolgen und das Bild im Bild; alles in allem bemalter Körper und freedom.
„Zuerst war Dore O. da. Sie brachte in den Film etwas Persönliches, ein Teil ihres Selbst ein: Ein Bild, das sie sich gemacht hatte. Ein Mädchen auf der Schaukel, auf einer Wiese, vor dem Hintergrund einer großen bemalten Fläche, auf der ein abstrahierter Phallus zu erkennen ist – ein Popanz, vor dem das Mädchen rhythmisch hin- und hergleitet. Differenzierte Gefühle treten auf: Sie ergeben sich aus dem Jungmädchenhaften einer Schaukel und dem Bombastisch-Kultischen eines übergroßen plakatmäßig gemalten Sexualsymbols.“ — Dietrich Kuhlbrodt, 1969
Alaska | BRD 1968 | 18 min
Ein Emigrationsfilm: Traum meiner selbst, Konsequenz aus dem Akt mit der Gesellschaft.
„Ein schöner Film, dies macht ihn uns verdächtig. Doch die Schönheit hat einen Haken. Sie ist nur Oberfläche; dahinter verbergen sich Grauen und Angst. Für Dore O. ist Schönheit ein Teil der Realität. Es gibt für sie eine Schönheit der Angst, wie es für Genet eine Schönheit des Mordes gibt.“ — Klaus Bädekerl, 1969
Lawale | BRD 1969 | 29 min
Die Erinnerung ist eine grausame Hoffnung ohne Erwachen.
„Die strengen Bilder sagen mehr über den ganz individuellen Emanzipationsprozess einer jungen Frau als viele dickleibige Romane. Und dass eine Frau diesen Prozess so formsicher zu filmen weiß, zeugt bereits von einer Emanzipation, die für unsere Gesellschaft nicht weniger relevant ist als allgemein gesellschaftskritische Agitation.“ — Peter Steinhart, 1969
Kaskara | Grand Prix „Exprmntl“, Knokke 1974
BRD 1974 | 21 min
M: Anthony Moore | Mit Werner Nekes
Balance des Eingeschlossenseins im zerbrochenem Raum.
„KASKARA ist ein Pendelfilm. Fenster und Türen öffnen sich in der Mitte des Bildes auf eine Landschaft. Das Zentrum, die Achse, ist ein Bruch, sich Auflösendes, Heterogenes. Ein permanentes Ungleichgewicht, ein Schub Yin, ein Schub Yang, ein Gleichgewicht oder auch eine Harmonie, deren Voraussetzung Unstabilität,
Bewegung ist. In den Kritiken von Männern steht immer, Dore O.s Filme seien schön.“ — Frieda Grafe, 1974