retrospektive SPIEGEL-MEDIATHEK

Seit Internetplattformen wie Vimeo oder YouTube hochverfügbar sind, ist das Ein-Kanal-Video allgegenwärtig. Aktuelle Smartphones produzieren Footage in ansprechender Qualität und liefern auch gleich die passenden Werkzeuge, um coole Videos zu schneiden und zu posten. Die Auswirkungen dieses Technologiewandels auf die Kreativität bildender Künstler zwischen Gratis-Kultur und Kunstmarkt sind ungewiss. In der wilden Flut zeitbasierter Bildinhalte gesehen zu werden, wird zur Herausforderung.

Als das Web für Video noch zu langsam war, brauchte es Kunsthallen, Fernsehformate oder Mediensammlungen, um interessierten Künstlern ein Forum zu bieten.
Von 1997-2010 gab es mit dem spiegel in der Münchner Lothringer Straße ein als Projekt betrie- benes Archiv zu aktuellen lokalen Künstlern und eine Sammlung an Kunstvideos, zunächst aus dem Bestand des Lenbachhauses. Namensgebend war ein 3 × 4 m großer Screen in Gestalt eines semi-transparenten Spionspiegels, der die Bildinhalte diverser Monitore und Beamer auf einer Fläche fokussierte. So wollte man jüngeren Media-Art- Positionen eine installative Umsetzung vor Ort ermöglichen.
Vom Ort inspirierte, spendable Künstler überließen dem spiegel für die Präsenzvideothek geeignete Ein-Kanal-Arbeiten, so dass die Sammlung auch ohne Ankauf-Budget gedieh. So kamen zu den längst etablierten Namen der ersten Gene- ration wie Nam June Paik oder Ulrike Rosenbach aus der Sammlung des Lenbachhauses bald die von Künstlern und Studierenden hinzu, die in den 1990er und frühen 2000er Jahren am Anfang ihrer Karriere standen. Nach einer Neuausrich- tung der Lothringer13 im Jahr 2010 ging ein Teil der Arbeiten an das Lenbachhaus zurück, die neueren Werke wurden nicht öffentlich zugänglich ausgelagert.

VIDEODOX 2015 bringt eine repräsentative Auswahl der Arbeiten aus den aktiven spiegel-Jahren zur Wiederaufführung. Vom künstlerischen Wert überzeugt, waren wir zunächst skeptisch, was die technische Qualität der archivierten analogen und digitalen Daten betrifft. Schnell war klar, dass man mit dem größten Teil des Materials wunderbar würde arbeiten können. Für die Ausstellung in der Galerie der Künstler haben wir einen Flashback in die Zeit der Röhrenmonitore, Analogbänder und selbstgebrannten DVDs gewagt, und können so die Arbeiten im Kontext der Technik ihrer Entstehungszeit zeigen.
Verglichen mit aktuellen Bild-Standards, können Detailreichtum und Prägnanz nicht mithalten, aber den Künstlern war klar, was sie mit VHS und Mini-DV erreichen können und was nicht. "Videokünstler" mochten viele damals schon nicht mehr sein, sondern Dinge ausprobieren, entwickeln oder auch verwerfen: "Video"“ ist eine künstlerische Technik unter vielen und wird – heute wie gestern – nach situativem Bedarf gehandhabt. – Matthias von Tesmar

Matthias von Tesmar war langjähriger Mitarbeiter des spiegel – mediathek und künstlerarchiv / lothringer13 und leitete von 2008 bis zu ihrer Auflösung 2010 diese Münchner Institution für Videokunst.

Die präsentierten Künstlerinnen und Künstler:

Anna Anders
Horst Baur
Peter Becker
Annegret Bleisteiner
Benedikt Gahl & Veit Kowald
Friedericke & Uwe
Klaus Heid
King Kong Kunstkabinett
Eric Lanz
Stephanie Maier
Bernd Müller
Susanne Wagner
Peter Weibel
Silke Witzsch
Kai Zimmer