Filmmaker IN FOCUS: Heinz Emigholz


Website von Heinz Emigholz

Über Heinz Emigholz' Zyklus STREETSCAPES

Hatte er nicht gesagt, er wolle keine Archi­tek­tur­filme mehr machen? Von nun an nur noch Spiel­filme? Zumindest gönnt sich Heinz Emigholz, der seit vier Jahren pensio­niert ist, ein wenig mehr Verspielt­heit als früher, was sich schon in The Airstrip – Aufbruch der Moderne, Teil III (2014) ange­kün­digt hatte. Emigholz hat einen unver­wech­sel­baren Stil, er ist Meister der verkanteten Kadrierungen, stiller Schein-Stand­bilder und wortloser Etüden zu „Photographie und jenseits“, wie sein größter Werkzyklus im Untertitel heißt. Emigholz hat dem Architekturfilm ein neues ästhetisches und epistemologisches Fundament gegeben. Seine filmischen Monographien zu bedeutenden Baumeistern (darunter Auguste Perret, Pier Luigi Nervi, Adolf Loos, Rudolph Schindler, Bruce Goff) setzen die Bauten ins Verhältnis zum Sehen, wobei dem Blick eine „komponierende Kraft“ (Emigholz) zukommt.

Für sein Œuvre reiste Emigholz um die ganze Welt. Maßgeb­lich ist die Strenge, die er in seinen unbe­wegten Bildern walten lässt – auf eine Kame­ra­fahrt oder einen Schwenk kann man bei ihm kaum hoffen –, aber die Strenge verwei­gert sich dem rechten Winkel. Seine verhält­nis­mäßig schnell geschnit­tenen Ansichten von Gebäuden und Räumen zeigen keine Menschen, und wenn doch, dann nur, wenn sie funk­tional zum Gebäude gehören, wie Arbeiter zu einer Fabrik­halle.

pennell_fisticuffs
Rituale der militärischen Welt und der größeren geopolitischen Zusammenhänge finden bereits 2001 in TATTOO die Aufmerksamkeit der Künstlerin, wenn sie die Exerzitien eines Regiments inmitten der unberührten Natur als absurden militärischen Drill zeigt, dessen einzige Zeugen die Vögel und Bäume sind.

Tiere durch­queren oder durch­fliegen immer wieder seine Aufnahmen, als wollten sie die Raumbild-Diago­nalen noch einmal neu vermessen. Und immer wieder schieben sich Bäume und Sträucher vor die Archi­tektur, als Zeugen der Drei­di­men­sio­na­lität der Welt. Auch die Straßen der Städte werden ein­ge­fangen; Emigholz scheut sich nicht, neben der erhabenen Schönheit der Archi­tektur auch die pulsie­rende Häss­lich­keit, den Schmutz und die Armut sowie die Banalität der Großs­tädte zu zeigen. Ob dies schon Dekon­struk­tion der Erha­ben­heit bedeutet, sei dahingestellt, zeigt aber bei aller Menschen­leere seiner Filme ein profundes Interesse am sozialen Gefüge.

Sein neuestes Werk STREETSCAPES, das sich ebenfalls dem Zyklus „Photographie und jenseits“ zuordnet, besteht aus vier Kapiteln: 2+2=22 [The Alphabet], Bickels [Socialism], Streetscapes [Dialogue] und Dieste [Uruguay]. Das zweite und vierte Kapitel folgen dem Werk, wie wir es von Emigholz bereits kennen. Die beiden anderen, jetzt bei UNDERDOX präsentierten Kapitel tran­szen­dieren die Archi­tek­tur­filme selbst noch einmal, indem sie eine neue Dynamik zulassen: Musik und das gesprochene Wort.   (Dunja Bialas)

2+2=22 [The Alphabet]  

Eine Art Remake von Jean-Luc Godards ONE PLUS ONE (1968). Nicht die Rolling Stones sind hier zu sehen, sondern die Düssel­dorfer Band Kreidler bei der Einspie­lung ihres Albums  „ABC“ . Das Studio befindet sich in der georgischen Hauptstadt Tiflis, die in einer Parallelmontage zu den Studioszenen in der typischen Emigholz’schen Weise porträtiert wird.

freitag 6 okt 18.30 uhr filmmuseum münchen

  pennell_host


Streetscapes [Dialogue] 

Der Regisseur als Schauspieler und Psychoanalytiker seiner Selbst. Der Argentinier Jonathan Perel hat einen streng mathe­ma­ti­schen Film über Sozi­al­sied­lungen aus den Jahren der Diktatur gemacht, Toponimia (10. UX). Derart mit Emigholz im Geiste verwandt, spielt er einen Psycho­ana­ly­tiker, der wiederum einen Regisseur (in der Rolle: John Erdman) aus einer schweren Sinn- und Schaf­fens­krise begleitet. All dies trägt sich in den Häusern, auf den Terrassen oder vor den Fassaden der uruguayischen Architektur von Eladio Dieste und Julio Vilamajó zu.

samstag 7 okt 18.30 uhr filmmuseum münchen

pennell_host